Tulsi versucht den Spagat zwischen schick und gemütlich bzw. jung und traditionell. Die Küche bezeichnet sich als "Indian contemporary" und hat klassische indische Restaurantküche ebenso wie etwas schrägere, innovative Sachen. Der Koch wurde seinerzeit dem Nam Nam abgeworben, wo er auch schon recht gut gekocht hat. Grundsätzlich mal ein sehr gutes Konzept. Nach einigen Jahren des Bestehens ist es allerdings nicht ganz aufgegangen, denn das Motiv der Gespaltenheit zieht sich durch das Lokal wie eine Glaswand.
Apropos Glaswand: die gibt es hier auch ganz konkret, denn eine solche trennt den ohnehin nicht sehr großen Gastraum genau in der Mitte, um ein Raucher-Aquarium zu schaffen, was dem Raum eine sehr bedrückende, enge Atmosphäre gibt. Die Wand macht den Raum de facto kaputt und man fragt sich, warum bei einem reinen Ess-Lokal mit großem Schanigarten überhaupt ein Raucherbereich notwendig ist. Aber auch sonst vermittelt der Raum den Eindruck eines unentschlossenen Innenarchitekten, denn die Ansätze von Stuck an der Decke, die Fliesenmuster an der Wand und die durch das Lokal mäandernde Lüftung wollen irgendwie nicht wirklich zusammenpassen. Aber hauptsächlich wird es durch das Raucher-Aquarium (in dem übrigens gar nicht geraucht wurde) ungemütlich. Da hilft dann auch die durchaus liebevolle Tischgestaltung recht wenig.
Auch das Personal ist von der Spaltung des Lokals betroffen, denn irgendwie sollte man sich einig sein, ob man die Gäste hier mit "Sie" oder "du" anspricht. Abgesehen davon gibt es freilich nichts zu beanstanden - das Service ist effizient, aufmerksam und freundlich.
Die eben schon angesprochenen Samosas waren übrigens auch gespalten: sie waren nämlich in der Mitte auseinandergeschnitten. Ob das jetzt war, damit es schicker aussieht (tut es definitiv) oder damit sie in der Mikrowelle wirklich durchgehend warm werden (habe kein "ping" aus der Küche gehört), bleibt offen. Außerdem dürften sie so ziemlich die teuersten in Wien sein - möglicherweise aber auch die besten. Allerdings - nachdem sie doppelt so teuer (€ 4,80) und halb so groß sind wie anderswo, sollten sie auch viermal so gut sein. Und das sind sie. Wirklich.
Die Hauptspeisen bewegen sich preislich in üblichen Kategorien. Beim ersten Blick in die Speisekarte wirken sie teurer, aber da Reis und Gedeck inklusive sind, gleicht sich das wieder aus. Auswahlmäßig die schon eingangs erwähnte Gespaltenheit in die übliche indische Restaurantküche und durchaus spannend klingende Eigenkreationen, wobei letztere (in die der Koch vielleicht mehr Energie steckt) für die Bewertung allerdings nicht berücksichtigt wurden, da der Vergleichswert zu anderen Restaurants fehlt.
Geschmacklich gab es beim bisher probierten nichts zu beanstanden, aber auch nichts besonders zu loben. Immerhin, man weiß hier um die positive Geschmackswirkung von grünem Koriander und setzt ihn gut dosiert ein, und "sehr scharf" bestellt kommt auch wirklich gut scharf daher. Aber sonst hinterlässt das Essen keinen besonders intensiven Eindruck. Das Rogan Josh hat eine angenehm säuerliche Joghurtnote, aber oben am Gaumen klafft eine große geschmackliche Lücke, die ungefüllt bleibt; das Madras (inzwischen nicht mehr auf der Karte) zog mit zarter Chili-Butternote in die Nase, ließ aber den Gewürzkick vermissen; das Vindaloo hatte zwar eine ganz dezente Essignote, aber keines der Gewürze in der Sauce konnte sich durchringen, bei mir Eindruck zu schinden.
Als Fazit würde ich sagen: man kocht die Standardgerichte grundsolide, aber ohne großen Ehrgeiz. Irgendwann muss ich noch die ausgefalleneren Dinge probieren, denn allein schon die Zusammenstellung der Mittagsmenüs lässt vermuten, dass da mehr kreative Energie hineinfließen könnte
Ich gebs offen zu: was mich am meisten gestört hat, war die unnötige Glaswand mitten im Lokal.
Vorspeisen ab € 3,80; Hauptspeisen inklusive Reis vegetarisch ab € 8,70, mit Fisch ab € 10,90, mit Fleisch ab € 11,50.
Gedeck wird nicht extra verrechnet.